Türkei - Anfang Juni
Nun sitze ich hier, in einem Raum der Moschee des kleinen Bergdörfchens Dedeler. Der Raum ist brechend voll mit türkischen Frauen, Kindern und Jugendlichen. Alle in weiten, gemütlich ausschauenden Pluder-Hosen und mit farbenfrohen Kopftüchern mit Ausnahme der Kleinkinder. An meinen Ohren rauschen türkische Worte vorüber, die ich jedoch weder übersetzen noch auseinander halten kann.
Es ist kurz vor 21:00 und Ramadan in der Türkei und in Dedeler heißt, dass alle Einwohner abends um 21:00 gemeinsam Essen. Die Frauen in der Moschee, die Männer in einer Art Gemeinderaum.
Aber wie sind wir bzw. ich hier her gekommen?
Auf der Straße
Vor etwa drei Stunden, Stefan hatte gerade unseren Wasservorat an der Tankstelle aufgefüllt, als mich ein kleinens Motorrad überholt. An sich nichts ungewöhnliches, jedoch wurde dieses stetig langsamer und drosselte sein Tempo auf das von Emma hinunter. Aufgrund von besserer Verständigung wurde das Gespräch auf de Straßenrand verlegt. Und wir wurden eingeladen bei Feridun zu übernachten und heute Abend Teil des Ramadan-Dinner zu sein. Diese Einladung konnten wir nun wahrlich nicht ausschlagen und so folgten wir ihm zu seinem Haus. Er hatte sogar ein Gästezimmer für uns. Wir durften duschen und sogar die Internetverbindung war besser als in manchem Motel. Um halb neun sollten wir fertig für's Essen sein. Somit hatten wir noch drei Stunden um ein paar Dinge zu organisieren und zu entspannen ☺️
Bei den Frauen (Lena)
Ja und nun sitze ich hier. Ich traue mich nicht Fotos zu machen, daher versuche ich mein Umfeld mal zu beschreiben:
Ich sitze auf dem Boden eines riesigen vlt. 150qm großen Raumes der Dorf-Moschee. Der Teppichboden ist mit riesigen Plastikplanen abgedeckt. Darauf stehen kleine Runde Tische (mit einer Höhe von vlt. 15cm). Diese Tische sind mit weißen Plastik-Tischdecken mit blauen Punkten und einer riesigen Menge an Essen, ebenfalls in Plastikschalen (Einweg-Geschirr) gedeckt. Vieles von den Dingen vor mir (er)kenne ich gar nicht. Und gleichzeitig muss ich eingestehen, dass ich nicht gedacht hätte, dass Tische vollgepackt mit dem Einwegwaren, doch so einladend und toll aussehen können.
Mit mir sitzen nur junge Mädchen im Alter von vlt. 17 Jahren an dem Tisch. Sie sehen alle sehr nett aus, jedoch macht die Sprachbarriere nichts einfacher. Ich versuche das Schweigen zwischen uns mit einem: "Adım Lena" zu brechen und erkläre mit Händen und ein paar Brocken, dass wir mit dem Fahrrad von Hamburg hierher 3 Monate gebraucht haben und nach Thailand wollen. Auf Staunen folgt Lachen und dann ist uns die Technik doch behilflich und wir greifen beiderseits zum Handy, um mit der Übersetzungs-App ein bisschen was zu erfahren. Gänzlich nebenbei fangen alle an zu essen. Was mich wundert denn ich hätte gedacht es gibt einen gemeinsamen Auftakt aber stattdessen wird eifrig und beherzt zugegriffen. Alle ohne eigene Teller und aus den gemeinsamen Essensbergen, welche gut nachgefüllt werden. Ich fühle mich schon ein bisschen seltsam, da ich absolut nicht einschätzen kann, wie das für die Mädels (welche sich alle gut zu kennen scheinen) ist, dass jetzt einfach eine Fremde mit ihnen aus den selben Gefäßen isst! Aber wahrscheinlich mache ich mir da auch einfach zu viele Gedanken.
Mit Hilfe des Handys frage ich, ob sie mir nach dem Essen zeigen können wie man ein Kopftuch richtig bindet. Erst schauen Sie mich ein bisschen verwirrt an aber bejahen meine Frage freudig grinsend. Während des restlichen Essens sehe ich immer wieder freundlich und interessiert schauende Gesichter an den anderen Tischen. Genauso plötzlich wie das Essen begonnen hat, löst es sich auch wieder auf. Mir wird zwar immer wieder klar gemacht ich solle noch mehr essen, jedoch werden um mich herum einfach alle Essensreste eines Tisches auf ein Tablett zusammengegossen und weggebracht. Der Rest auf dem Tisch wird einfach in die Tischdecke gewickelt und weggeschmissen. Dann noch schnell der Tisch zusammen geklappt und zur Seite gerollt, das ganze geschieht ziemlich schnell und doch ziemlich nebenbei.
Plötzlich werde ich von der Seite auf deutsch angesprochen. Etwas verwirrt frage ich die Frau, wieso sie so gut deutsch kann. Eine Türkin, welche in Deutschland lebt und gerade zu Besuch ist. Sie übersetzt noch schnell einige Fragen der anderen Mädchen und dann verschwindet sie auch schon wieder. Dann soll ich endlich lernen, wie man ein Kopftuch richtig bindet. Mit meiner Auswahl an Tüchern (ganze zwei an der Zahl) scheinen sie nicht recht zufrieden zu sein. Kurzerhand ruft eines der Mädchen ihre Mutter an und bittet diese ein passendes Tuch und ein dazu gehöriges Untertuch mitzubringen. Keine fünf Minuten später taucht besagte Mutti auf mit zwei Tüchern zur Auswahl. Zwei Hände machen sich an meinem Kopf flink zu schaffen und legen, zupfen und binden mir das Tuch auf meinem Kopf zurecht. Scheint ganz gut auszusehen. Am Ende gibt es noch ein gemeinsames Foto. Ich bedanke mich für Essen und das Kopftuch bei allen und mache mich mit Stefan und Feridun gemeinsam auf den Rückweg.
Bei den Männern (Stefan)
Unser Gastgeber übergibt Lena in die Hände der Frauen in der Moschee und wir gehen gemeinsam weiter Richtung Dorfmitte. Alles klar, denke ich, Lena kommt schon zurecht.
Wir laufen zu einem Haus und an dessen Seite eine kleine Treppe hinauf. Ich werde dem ein oder anderen flüchtig vorgestellt, ich schüttele Hände, lerne den Dorfchef kennen und in besagtem Haus drehen wir auch direkt wieder um weil alles schon besetzt ist. Offenbar greifen wir nun auf eine andere Lokalität zurück. Keine 5 Meter weiter betreten wir einen Raum in einem anderen Haus. Dieser könnte auch gut einen Supermarkt beherbergen. Erdgeschoss, große Glasfenster rundherum, keine Wände. Überall stehen Plastikstühle und dazugehörige Tische.
Auf den Tischen steht bereits das Essen. Suppe, Brot, Oliven, Datteln, Salat und irgendwas Süßes. Wir setzen uns und sind kurz alleine im Raum. Es dauert jedoch keine 3 Minuten bis der Rest der Dorfmänner eintrudelt. Unser Tisch und der Raum füllt sich. Der Dorfchef sitzt rechts von mir und grinst. Irgendwann wird angefangen - das Zeichen dazu habe ich wohl überhört.
Ferit - was wohl eher sein Spitzname ist - fragt mich ein paar Sachen und übersetzt den anderen. Ich soll raten wer von zwei Anwesenden der Gefährlichere ist und sie raten wie alt ich wohl bin. Unter anderem werde ich auf 18 geschätzt!Radeln hält jung.
Ich esse solange bis es mir zu peinlich wird. Unser Gastgeber ist schon rauchen gegangen, der Rest des Dorfes ist auch schon draußen und einer seiner Freunde sitzt wohl nur noch neben mir, weil er mich nicht völlig allein im Raum lassen will.
Ich gehe noch kurz mit in die Moschee und schaue beim Gebet zu. Mehrmals sagt mir Ferit, dass ich überall Fotos machen darf, es sei gar kein Problem, ich sei völlig frei. Danach holen wir Lena ab und ich bekomme noch etwas vom Gegacker der Mädchen zu hören. Lena mit professionellem Kopftuch. Kann, muss aber nicht.
Der Abend endet gemeinsam mit Freunden von Feridun in der Küche bei Chai, leckeren Snacks und mit interessanten Gesprächen. Ganz nebenbei lernen wir wie man die typisch türkischen Sonnenblumen in Schale knackt und isst ;)
Es war ein toller Abend und wir haben uns sehr gefreut daran teilhaben zu können. Im Bett haben wir uns dann erstmal gegenseitig unsere Erlebnisse berichtet;)
Lena
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Viola (Dienstag, 27 Juni 2017 00:18)
Ich muss ein bisschen grinsen: Lena, was du beschreibst ist ja in Bezug auf das Essen zum Teil ziemlich deckungsgleich mit dem, was ich euch über das Essen auf der syrischen Hochzeit geschrieben habe. Irgendwie freut mich das.
Und ich freu mich immer wieder, dass ihr unterwegs seid!!
Betti&Jürgen (Dienstag, 27 Juni 2017 15:37)
Hallo Ihr Zwei, wow... es ist schon sehr beeindruckend wie schnell und zielstrebig Ihr vorangekommen seid. Wir verfolgen regelmäßig die Route. Ihr seid auch noch gut motiviert und seht vieles mit den notwendigen Humor... tolle Berichte und Fotos. So langsam ändert sich der Kulturkreis und für Euch wird es sicher von Tag zu Tag interessanter. Trotz Sprachbarrieren kommt man doch gut durch die Welt... ist das nicht toll!!! Weiter so, Gesundheit, Kraft, Glück, Mut und jede Menge weitere nette Begegnungen. Viele Grüße aus Radebeul in die Ferne :-)
Bettina (Mittwoch, 28 Juni 2017 17:24)
Ich beneide Euch sehr um diese Erlebnisse, ich befürchte, wenn wir mit dm Auto unterwegs sein werden, wird uns niemand eine Übernachtung anbieten
Die Stimmung in den Moscheen hat mir an Istanbul auch am besten gefallen, obwohl es bei uns vor 2 Jahren auch Anfang Juni überall immer brechenvoll war
Habt Ihr die Zisternen in der Nähe der blauen Moschee besichtigt? Das war unser Highlight
Weiter gute Reise und merk dir den Dreh mit den Kopftüchern bitte
Alles in 12 Taschen (Dienstag, 04 Juli 2017 05:28)
Von den Zisternen wussten wir ehrlich gesagt garnichts.
Vielleicht war das aber auch besser so. Ansonsten hätten wir ja nichts mehr für den nächsten Istanbul-Trip übrig. :)