Eine Nacht im Kloster

 

China - 19.11.2017

Sowohl die Wüste als auch zwei lange Nachtbus-Fahrten, liegen nun hinter uns und wir sind seit ein paar Tagen in Ost-Tibet unterwegs. Ost-Tibet ist nicht die autonome Provinz Tibet aber es ist traumhaft schön. 

 

Heute morgen sind wir aus Tongren losgefahren. Es war und ist ziemlich kalt. Die Sonne blieb leider den ganzen Tag hinter den Wolken und nach den ersten 20km angenehmen Gefälle, folgten dann 24km bergauf mit ca. 1.000 Höhenmeter Unterschied immer höher ins Gebirge. Im Sommer muss es hier traumhaft sein. Überall sind terrassenartig Felder angelegt und die Straße führt durch ein Tal, umringt von riesigen Bergen, immer am Flussbett entlang. Wir durchquerten unsere ersten Gebirgsdörfer, in denen sich Kuh, Esel und Ziege auf der Straße guten Tag sagen. 

 

Zelten

Inzwischen ist es später Nachmittag, um genauer zu sein 17:00 und das heißt für uns: Wir haben noch ca. eine Stunde Tageslicht um einen geeigneten Zeltplatz zu finden,denn im Dunkeln wird das nix. Sobald die Sonne untergegangen ist wird es rasend schnell noch kälter als es ohnehin schon ist. 

Der nächste Ort ist noch ca. 6 km und 200 Höhenmeter entfernt. Bei unserem aktuellen Tempo brauchen wir dafür vlt. 1,5 Stunden. Wir überlegen hin und her. Entweder hier nun das Zelt aufbauen oder wir versuchen bei dem Kloster zu fragen, welches sich laut Karte im kommenden Städtchen befinden soll. Wir sind unsicher. Einerseits, andererseits. Wer nicht wagt der nicht gewinnt, ist dann Stefans Entscheidung und wir strampeln den Berg hinauf in der Hoffnung Zuflucht im Kloster zu finden. Inzwischen sind wir auf etwas über 3.100m und es ist verdammt kalt. Gefühlt minus, auch wenn das Thermometer im Tacho noch gerade über Null angibt. 

 

Wir pedalen was unsere Lungen und Beine hergeben und werden am Ende des Anstiegs mit einer atemberaubenden Weite belohnt. Vor uns erstreckt sich ein welliges, hügeliges, ja bergiges Tal mit Weideland in verschiedenen Gelbtönen. Und hinter den Bergen geht in genau dieser Sekunde die Sonne im gleisenden, roten Licht unter. Traumhaft. Wäre es nicht so bitter bitter kalt, würde ich sofort hier & jetzt das Zelt aufbauen! 

Zwei kleine Anstiege folgen noch und dann geht's hinab. Hinab heißt wegen des Fahrtwindes aber auch noch kälter, also noch was anziehen und dann sausen wir in ein Dorf, welches viel größer als erwartet ist. 

 

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. 

Zwei Ecken weiter und wir sind am Kloster angekommen. Wir schieben Emil & Emma zwischen den Mauern eine Steigung hinauf. Vor einem Tor sehen wir im letzten Schummerlicht einen Mönch und versuchen unser Glück. Die erste Frage, mit dem Handzeichen ob wir hier schlafen können, erwidert der Mann mit einer groben Handbewegung in Richtung Dorf - dort gibt's nämlich ein Hotel. Dann versuche ich es nochmal und zeige auf den Bereich des Klosters und mache die Schlaf-Geste (Kopf zur Seite neigen und auf die aufeinander gelegten Hände legen). Der Mönch guckt einen Moment, sagt etwas zu einem weiteren, welcher gerade aus dem Haus kommt und um die Ecke verschwindet. Daraufhin bedeutet er uns dann in das Haus zu treten. Das ging jetzt aber leicht denke ich, wir sind aber dennoch etwas verunsichert. Wir treten durch die riesige Holztür und finden uns in einem kleinen Innenhof wieder. Der Mönch taucht kurze Zeit später hinter uns auf, läuft auf den gegenüberliegenden Wintergarten zu und winkt uns freundlich rein. Hinter dem Wintergarten öffnet er eine weitere Tür und zeigt uns fragend einen kleinen Raum mit Ofen. Das sieht traumhaft verlockend und warm aus. Wir nicken und er bedeutet uns die Räder in den Hof zu schieben. Er hilft uns auch noch beim überwinden der Stufen. Dann schnappen wir uns unsere Lenkertaschen und folgen der Einladung ins Warme. Ohne dass ich es wirklich mitbekommen habe sind insgesamt noch drei weitere Mönche in das Haus gekommen. Diese sitzen nun auf dem "Schlaf - und Esspodest" und werden von den zwei anderen reichlich mit Essen und Getränken bedient. Wir sitzen derweil auf dem Boden vor dem Ofen, erfreuen uns an der Wärme und bestaunen das Geschehen und dann halten wir Yakbutter-Tee in unseren Händen. Göttlich. Und wenig später stehen, Fleisch, Momos (gefüllte Teigbällchen), Obst und jeweils eine Suppe vor uns. Dampfend und lecker. Während des Essens wird mit wenigen Worten und vielen Handzeichen das übliche erfragt und beantwortet. Derweil füllen sich unsere Schüsseln wie automatisch immer wieder mit Tee. Ich hole unsere ausgrdruckten Fotos aus der Tasche und versuche denen ein bisschen was aus unserem Leben zu zeigen. Schwer angetan haben es ihnen die zwei Bilder von Stefans Elternhaus (im Sommer und im Winter) mit der Feuerstelle! 

Wir werden müde, sicher durch die Wärme, welche unsere Körper durchströmt aber auch da es schon spät geworden ist. Zwei der Mönche verabschieden sich und den anderen drei hören wir noch ein wenig bei der angeregten Unterhaltung zu. Irgendwann ist es dann Zeit für den Bettenbau im Wintergarten in einer Ecke, aber natürlich nicht ohne extra Decken! Unser Mönch hat uns vorhin noch erklärt, dass er morgen um 4:50 Uhr in der anderen Ecke beten wird und um 5:50 Uhr hoch ins Kloster geht. Wenn er dann um 8:00 Uhr wieder kommt gibt es Frühstück und dann können wir weiter fahren. Frühstück um acht klingt großartig aber 4:50 Uhr klingt hart. 

 

4:50 Uhr morgens

Tatsächlich wache ich davon auf, das der Mönch sich in der anderen Ecke des Wintergartens mit Licht, Gongschalen und Wolldecke über den Knien zum Beten bereit macht. Ein monotoner, dann wieder melodischer Sprechgesang wiegt mich wieder in den Schlaf, jedoch immer nur gerade so lange bis er wieder die zwei Schalen mit einem hellen "pling" aneinander schlägt! Doch es ist einfach noch zu früh und die Müdigkeit übermannt mich. Das nächste Mal wache ich vom Wecker auf. 

 

Tsampa

Pünktlich um 8:00 Uhr kommt unser Mönch wieder heim, wirft den Ofen an, zeigt uns das Bad (ohne WC) zum frisch machen und erwartet uns mit tibetischem Frühstück. Es gibt wieder Yakbutter-Tee und Tsampa. Bis dato wussten wir auch nicht was das ist. 

Stefan bekommt eine kleine Schüssel hingestellt uns soll es dem Mönch gleichtun. Hinein kommt etwas Yakbutter, heißes Wasser, Röstgerste, Zucker und uns eine unbestimmbare Zutat. Dann nimmt der Mönch die Schüssel in die eine Hand und mit einer geschickten Drehbewegung und zwei Fingern der anderen Hand wird daraus  schnell eine Teigkugel geknetet und eine fast saubere, teigfreie Schüssel hinterlassen. Stefan versucht es... Einige Zeit später und viele Lacher seitens unseres Mönches, hält auch Stefan eine Teigkugel in der Hand. Doch Tisch und Schüssel sind alles andere als sauber. Egal. Wir habe unseren Spaß. Der Teig schmeckt erstaunlich gut. Jetzt darf auch ich mir einen Klumpen formen. (Tsampa lässt sich schnell und einfach zubereiten, weswegen Sherpas, Nomaden und andere Reisende es häufig essen und gilt als Ersatz für Brot, Brötchen etc. Durch das vorherige Rösten ist dieser Teig ohne weiteres Backen oder Kochen essbar. ) 

Nach dem Essen bekommen wir noch heißes Wasser in unsere Trinkflaschen gefüllt und eine sehr nette Verabschiedung. Dann geht's raus in die eisige Kälte und hoch hinaus. 

 

Lena

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Rüdiger (Mittwoch, 27 Dezember 2017 15:22)

    Das ist schon großartig, was die Mönche da tun. Wie fast überall auf eurer Reise vertrauen auch die Mönche darauf, dass ihr ehrlich und gut seid. Vertrauen und Hoffnung, nur dadurch funktioniert die Welt so einigermaßen. Und Glück muss man haben.
    Für die Strapazen die ihr habt, werdet ihr aber auch immer wieder entschädigt. Das ist toll.

  • #2

    Viola (Samstag, 30 Dezember 2017 17:46)

    Na, Frau Architektin, danke für die Skizze :-) Ist aber tatsächlich hilfreich, um diese ungewöhnliche Raumaufteilung zu verstehen. Und dieser im Boden eingelassenen Ofen ist ja auch super speziell.
    Jetzt kennt ihr also auch Tsampa und den regionstypischen Tee. Seid von buddhistischen Gebeten durch den Schlaf getragen worden und habt die schon seit Jahrzehnten in unterschiedlichster Literatur immer wieder betonte Gastfreundschaft buddhistischer Mönche in kargen Regionen erlebt. Wow. Das war als Teenagerin das Fremdartigste, was ich mir überhaupt vorstellen konnte, der Innbegriff von Ferne und andersartigem Leben. Toll zu wissen, dass ihr das erlebt habt!!!